„Wer es sich beim Lesen dieser Geschichte so recht gemütlich einrichten möchte, in der Gewissheit, nicht zu den zweifelhaften oder gar bösen Charakteren zu zählen, der ist im Begriff, sich gerade deshalb selbst auf den Leim zu gehen. Wir tragen, neben dem Guten, auch all die Schwächen und Boshaftigkeiten als Möglichkeit in uns. (…) Um uns dessen von Zeit zu Zeit wieder bewusst zu werden, braucht es Geschichten wie die von Wilhelm Hauff vom ‚kalten Herzen’“ …
… schreibt Paul Sachse im kurzen Vorwort zu seinem Buch „Das kalte Herz“, in dem er Wilhelm Hauffs berühmte Erzählung modern illustriert neu veröffentlicht, die Geschichte aber in der Fassung aus dem Jahr 1909 belässt – weil die Sprache immer noch ebenso aktuell wie ihr Inhalt ist. Mit seinen digital überarbeiteten Fotocollagen, eindrücklich und bildgewaltig, holt der Künstler die über hundert Jahre alte Geschichte in die Postmoderne, aus der Kinderecke in die große, weite Welt 2.0. Oder sind wir schon wieder weiter, gar bei 4.0 …? Das Erstaunliche dabei: „Das kalte Herz“ passt zu dieser, unseren Zeit, in der Gier, Schnelllebigkeit und Oberflächlichkeit zum Alltag gehören – als wäre sie dafür geschrieben worden.
Und so nimmt die berühmte Geschichte ihren Lauf
Der junge Peter, unzufrieden mit seinem Beruf und geringem Einkommen als Köhler, strebt nach Höherem und vor allem nach mehr Geld. Er sucht das weise Glasmännlein und bittet es, ihm drei Wünsche zu erfüllen. Diese verhelfen Peter aber – vor allem weil sie unklug und gierig gestellt wurden – langfristig nicht zu mehr Ansehen und Wohlstand und so sucht er weiter, nach dem Holländer-Michel. Vor dessen Brutalität wird der junge Mann zwar gewarnt, als er den Michel trifft, verschafft dieser ihm aber dennoch recht zügig unermesslichen Reichtum und gesellschaftliches Ansehen. Wie? Indem er ihm ein Herz aus Stein – das kalte Herz – verpasst. Das warme, gefühlvolle kommt auf ein „Gesimse von Holz“. Hauff lässt seinen Peter staunen: „Auf mehreren Gesimsen von Holz standen Gläser, mit durchsichtiger Flüssigkeit gefüllt, und in jedem dieser Gläser lag ein Herz, auch waren an den Gläsern Zettel angeklebt und Namen darauf geschrieben, die Peter neugierig las; da war das Herz des Amtmanns in F., das Herz des dicken Ezechiel, das Herz des Tanzbodenkönigs, das Herz des Oberförsters; da waren sechs Herzen von Kornwucherern, acht von Werbeoffizieren, drei von Geldmäklern – kurz, es war eine Sammlung der angesehensten Herzen in der Umgegend von zwanzig Stunden.“
Der „unruhige Gast“, das pochende, mitfühlende Herz, das Gut von Schlecht unterscheidet, das Rücksicht auf Mensch und Umwelt nehmen kann, tauscht Peter also gegen eines aus Stein und hat damit Erfolg: Er wird reich, heiratet das schönste Mädchen weit und breit, und gehört bald zu den auserwählten Männern, von denen Hauff schreibt: „… Zwar hatten alle drei einen Hauptfehler, der sie bei den Leuten verhaßt machte, es war dies ihr unmenschlicher Geiz, ihre Gefühllosigkeit gegen Schuldner und Arme, (…); aber man weiß, wie es mit solchen Dingen geht; warn sie auch wegen ihres Geizes verhaßt, so standen sie doch wegen ihres Geldes in Ansehen; …“.
Das kommt uns bekannt vor, oder? Reiche, gierige Manager, dubiose Bänker, selbstverliebte, inhaltsleere Kardashians … – sie alle werden im 21. Jahrhundert zwar nicht respektiert und selten geliebt, aber außerordentlich gern hofiert.
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Das Besondere an Paul Sachses „kaltem Herz“
Es ist nicht nur der sozialkritische und moralische Aspekt, der an Hauffs Geschichte und Sachses Ansatz so reizvoll und zeitlos ist. Es ist die Kritik an der Zerstörung des Waldes. In einem Interview mit seinem Verlag erklärt Paul Sachse, warum er sich ausgerechnet diese Geschichte für sein Projekt ausgesucht hat: „Es waren zwei Dinge. Einmal dieses Gespenstische, Dämonische, etwas Unheimliche im Schwarzwald. Wenn man durch den Wald geht, und überall knistert, knackt, pfeift und summt es, aber man sieht nichts. Die Tiere verstecken sich, aber du weißt, sie sind da. Das hat mich immer fasziniert. … Das Andere ist der Nachhaltigkeitsgedanke, den ich in der Geschichte spürte. Wilhelm Hauff schrieb gegen den Raubbau am Wald zu einer Zeit als der Eingriff in die Natur noch lächerlich im Vergleich zu heute war. Und dazu die Frage von Recht und Gerechtigkeit. All das ist so unübersehbar in dieser Geschichte verankert, dass sie vollkommen in unsere Zeit passt. Nach meiner Überzeugung würde Hauff die Geschichte heute vielleicht etwas anders, aber mit den gleichen Grundgedanken erzählen.“
Das Buch ist nicht nur eine weise, aktuelle und dabei kunstvoll illustrierte Geschichte zum Lesen und Staunen, zu dieser besonderen Ausgabe gehören auch zwei CDs, auf denen Berth Wesselmann, Schauspieler am Theater Baden-Baden, die Geschichte vorliest, untermalt mit Musik von Schubert, Prokofjew, Strawinski und Bach.
„Ich stelle mir vor, wie ein Vater, eine Mutter oder beide im Herbst, im Winter abends mit ihren Kindern zusammen sitzen und das Buch lesen, oder es sich von Herrn Wesselmann vorlesen lassen. Die Geschichte ist ebenso interessant und spannend und schön und lehrreich für Erwachsene wie für Kinder. Deshalb hoffe ich, dass der Funke zwischen den Generationen überspringt“, erzählt Paul Sachse im Interview mit seinem Verlag.
Das wünschen wir uns von ForestFinance auch! Wir haben den Künstler bei seinem Projekt unterstützt, weil es ein interessantes Wald-Kapitalismusthema märchenhaft behandelt. Weil es die Probleme benennt, an denen unsere Gesellschaft seit jeher krankt: Gier, die zur Zerstörung der Umwelt ebenso wie zu Unmenschlichkeit führt. Und weil Paul Sachse sich traut, davon zu erzählen, mit erhobenem Finger, denselben in die Wunde steckend, ganz ohne Scheu, als moralisierender Gutmensch in Verruf zu geraten.
„Das kalte Herz“ in den Medien
Paul Sachses Buch hat viel Aufmerksamkeit erregt. So schreibt das „Badische Tagblatt“: „Wilhelm Hauff … hat ein gewichtiges Werk hinterlassen. Aus dem ‚pickten’ sich der Maler und Grafiker Paul Sachse aus Kuppenheim und sein Verleger Ulrich Schumann ‚Das kalte Herz’ heraus, um es in einer gegenwartsbezogenen Variante heraus zu bringen. Das 64 Seiten starke, großformatige Ergebnis ist eine Freude fürs Auge.“
Die „Badischen Neuesten Nachrichten“ empfehlen ihren LeserInnen das Buch mit den Worten: „… Eine besondere Variante legt nun der Kuppenheimer Künstler und Grafiker Paul Sachse vor. Hatte er 2012 schon als optischen Genuss die jüdische Fabel ‚Jacob und der Ziegenbock’ präsentiert, stellt Sachse nun nach drei Jahren Projektarbeit einen text-grafischen Volltreffer vor. Den Leser und Betrachter erwartet neben der außergewöhnlichen Ausgestaltung mit regionalen Bezügen, auch ein musikalischer Hochgenuss!“
Diesen Empfehlungen schließen wir uns an und legen Ihnen das Buch von Herzen an das Ihre:
Paul Sachse: Das kalte Herz
64 Seiten mit 36 Abbildungen und festem Einband, mit zwei Hörbuch-CDs
Triglyph Verlag UG, ISBN 978-3-944258-06-5
24,90 € (D), 26,90 € (A), 29,90 CHF (CH)
betreut seit 2008 das Kundenmagazin ForestFinest und sämtliche Printprodukte als Redakteurin und Autorin. Sie schreibt am liebsten über nachhaltig Gutes, das sich für Mensch und Umwelt rechnet.