Waldschutz = Klimaschutz? NABU-Experte Sebastian Scholz im Interview

Dass Bäumepflanzen gut fürs Klima ist, hat sich mittlerweile herumgesprochen. Damit Umwelt und Atmosphäre wirklich profitieren, ist aber auch der ökologische und soziale Mehrwert ausschlaggebend. Wir haben mit dem Klimaexperten Sebastian Scholz vom Naturschutzbund Deutschland e.V. (NABU) darüber gesprochen, wie Klimaschutz mit Aufforstung aussehen kann, was wir vom Klimagipfel COP23 erwarten dürfen und wie sich die Regierung Trump darauf auswirkt. Als Service für unsere Leser haben wir Fachbegriffe (im Text farbig markiert) in einem Glossar erklärt, das Sie ganz unten finden.

NABU-Klimaexperte Sebastian Scholz stand uns Rede und Antwort. Foto: Sarah Affenzeller
NABU-Klimaexperte Sebastian Scholz stand uns Rede und Antwort. Foto: Sarah Affenzeller

 

Einige Nichtregierungsorganisationen halten Aufforstung nicht für den optimalen Weg, das Klima zu schützen. Worauf basiert das und wie stehen Sie und der NABU dazu?

Prinzipiell muss an erster Stelle stehen, dass Treibhausgasemissionen vermieden werden. Das heißt natürlich auch, dass gebundene Kohlenwasserstoffe erhalten bleiben müssen. Intakte Wälder und Moore binden Kohlenwasserstoffverbindungen und sind wichtige Ökosysteme. Sie tragen zum Erhalt der Biodiversität und damit auch zur Anpassungs- und Entwicklungsfähigkeit von Mensch und Natur bei. Die Aufforstung zum Erhalt solcher Ökosysteme und zur dauerhaften Bindung von Kohlenwasserstoffen befürwortet der NABU. Wenn diese finanziell gefördert werden sollen, muss sichergestellt werden, dass solche Maßnahmen zusätzlich und dauerhaft sind. Selbstverständlich müssten diese Maßnahmen auch ökologischen und sozialen Standards genügen. Die Abgrenzung dieser Form der Aufforstung von herkömmlichen Forstmanagement-Praktiken, die keinerlei zusätzlichen Nutzen für das Klima und die Biodiversität leisten, ist der Knackpunkt. Und damit auch ein Grund, weshalb einige Organisationen Klimaschutz durch Aufforstung prinzipiell ablehnen. Eine Quantifizierung des Klimaschutzbeitrags von Aufforstungsmaßnahmen ist auch immer noch mit größten Unsicherheiten verbunden. Nicht zuletzt wurden auch schlechte Erfahrungen gemacht, Aufforstung als Klimaschutzmaßnahme im Gegenwert von Emissionszertifikaten zu behandeln. In der ersten Kyoto-Verpflichtungsperiode wurden durch Projekte unter den flexiblen Mechanismen Joint Implementation und Clean Development Mechanismen jede Menge überschüssige Emissionsrechte generiert.

 

CO2, Regenwald und Kimaschutz – das Video der Tropenwaldstiftung OroVerde erklärt die Zusammenhänge. Video: OroVerde

 

Wälder nutzen auch dem lokalen Klima

Bäume pflanzen heißt nicht automatisch auch Wald machen – eine Monokultur ist kein Mischwald und ohne weitere Pflege gehen in die Erde gebrachte Setzlinge schnell ein. Wie muss Aufforstung aussehen, damit sie dem Klima und der Umwelt nutzt?

Für die Reduktion der atmosphärischen CO2-Konzentration durch Aufforstung ist ein langer Atem notwendig: Untersuchungen zu Folge dauert es in Mitteleuropa rund 60 Jahre bis ein neuer Wald auf ehemaligem Grünland eine Senkenfunktion einnimmt. Zuvor wird der Kohlenstoffvorrat im Boden abgebaut. Die freiwerdenden Nährstoffe nutzt der Wald für sein Wachstum, aber es dauert Jahrzehnte, bevor sich dies positiv auf die CO2-Bilanz auswirkt.
Aufforstung nutzt dem Klima und der Umwelt nur, wenn tatsächlich zusätzliche Kohlenstoffsenken geschaffen werden und nicht parallel an andere Stelle vermehrt abgeholzt wird. Und natürlich müssen soziale und ökologische Standards eingehalten werden (REDD+-Safeguards).

 

In den Tropen wachsen Bäume weit schneller als in unseren Breiten - hier ein ForestFinance-Wald in Panama. Foto: ForestFinance
In den Tropen wachsen Bäume weit schneller als in unseren Breiten – hier ein ForestFinance-Wald in Panama. Foto: ForestFinance

 

Spielt es für das Klima eine Rolle, ob Wälder auf der Nord- oder der Südhalbkugel der Erde aufgeforstet werden?

Wo auf der Welt Treibhausgasemissionen entstehen oder vermieden werden ist für den Klimawandel irrelevant. Wenn es darum geht, Wälder durch Aufforstungsmaßnahmen zu erhalten muss im globalen Süden mit einem anderen Maß an Unterstützung und Förderung gerechnet werden als auf der Nordhalbkugel. Denn zum Teil sind lokale Wirtschaftskreisläufe zu einem großen Maße von der Forstwirtschaft und hier auch vor allem von der anhaltenden Nachfrage abhängig. Der Schutz von Wäldern muss daher einhergehen mit der Schaffung von alternativen Perspektiven.
Für das lokale Klima spielt das Vorhanden- oder Nichtvorhandensein von Wäldern natürlich schon eine Rolle, denn durch die Evapotranspiration von Wäldern wirken sie kühlend auf die Umgebung. Somit stellen Wälder also auch noch ökosystembasierte Klimawandelanpassungsleistungen zur Verfügung.

 

Wir halten die Zukunft in unseren Händen: nachhaltige Aufforstung trägt zum Klimaschutz bei. Foto: ForestFinance
Wir halten die Zukunft in unseren Händen: Nur nachhaltige Aufforstung, die die Bevölkerung und Wirtschaftssysteme vor Ort einbezieht, trägt langfristig zum Klimaschutz bei. Foto: ForestFinance

 

Erster Schritt: Kohleausstieg

Welche Maßnahmen sind außerdem sinnvoll, um das Klima zu schützen?

In Paris wurde im Klimaschutzabkommen formuliert, dass eine Balance aus menschengemachten Treibhausgasemissionen und -senken erreicht werden müsse. Das Potenzial für Senken halten wir für ausgesprochen gering, so dass die Balance nur erreicht werden kann, wenn der Ausstoß von Treibhausgasen minimiert wird. Das heißt, dass wir aufhören müssen fossile Kohlenwasserstoffverbindungen zur Deckung unserer energetischen Bedürfnisse zu verbrennen. Ein guter erster Schritt ist der Kohleausstieg. Den brauchen wir weltweit. Hierzulande sollten wir umgehend damit anfangen und die ersten und dreckigsten Kohlekraftwerke innerhalb der nächsten zwei Jahre vom Netz nehmen. So erreichen wir auch die Klimaschutzziele bis 2020. Der Kohleausstieg braucht außerdem einen verbindlichen Plan mit Enddatum. Nur so kann der Strukturwandel politisch begleitet und Strukturbrüche vermieden werden. Aus unserer Sicht muss spätestens im Jahr 2035 endgültig Schluss damit sein, Kohle zu verbrennen. Gleichzeitig muss der Anteil der erneuerbaren Energien deutlich erhöht werden. Das heißt einerseits, wir müssen uns deutlich mehr anstrengen Energie einzusparen und sie effizienter nutzen und andererseits der weitergehende Ausbau naturverträglicher erneuerbarer Energien.

 

Auch die Umweltschutzorganisation Greenpeace fordert den raschen Kohleausstieg. Video: Greenpeace

 

Der Regierungswechsel in den USA hat Klimaschützer weltweit beunruhigt. Was bedeutet Trumps Politik wirklich für das Klima?

Fürs Klima ist es natürlich höchstproblematisch, dass Trump seinen Fokus auf Kohle, Öl und Gas legt. Da dieser Kurs aber nicht mal von einem Großteil der amerikanischen Wirtschaft mitgetragen wird, ist sicherlich davon auszugehen, dass sich auch dort erneuerbare Energien durchsetzen werden. Trumps Politik hat auch dazu geführt, dass durch die Weltgemeinschaft ein Ruck ging. Nach dem Motto jetzt erst Recht, müssen nun alle anderen Staaten nachlegen, um die Pariser Klimaziele ohne die USA zu erreichen. Da bisher alle an einem Strang ziehen, sind die USA vor allem isolierter als bisher, was sich sicherlich früher oder später auch wirtschaftlich in den USA niederschlagen wird. Tragisch ist, dass die USA unmittelbar die versprochenen Zahlungen für Klimaschutz und Klimawandelanpassung eingestellt haben. Gerade bei Klimawandelfolgen können die Ärmsten der Armen nicht darauf warten, dass erst verhandelt wird, welches Land nun die Zahlungen der USA übernehmen, hier ist sofortige Hilfe nötig.

Das Klima wandelt sich - ob US-Präsident Donald Trump es wahrhaben möchte oder nicht. Bild: ForestFinance
Das Klima wandelt sich – ob US-Präsident Donald Trump es wahrhaben möchte oder nicht. Bild: ForestFinance; veröffentlicht von ForestFinance auf Instagram, als Trump das Klimabkommen aufkündigte.

 

COP23: Gemeinsam für ein gutes Klima

Hat der NABU spezielle Aktionen zur COP23 geplant?

Der NABU beteiligt sich an einer Demonstration am 4.11. in und um Bonn. Unter dem Motto „Klima schützen – Kohle stoppen“ soll auf den Zwiespalt aufmerksam gemacht werden, dass die Weltklimakonferenz ausgerechnet in unmittelbarer Nachbarschaft zum Rheinischen Braunkohlerevier stattfindet und die deutsche Politik derzeit noch keine Antwort liefert, wann wir uns endgültig von der Kohlekraft verabschieden.

 

Sie möchten mehr von Sebastian Scholz lesen? Unter https://blogs.nabu.de/author/sscholz/ bloggt er übers Klima. Screenshot: nabu.de
Sie möchten mehr von Sebastian Scholz lesen? Unter https://blogs.nabu.de/author/sscholz/ bloggt er übers Klima. Screenshot: nabu.de

Was erwarten und erhoffen Sie sich und der NABU von der COP23?

Wir hoffen, dass auch in Bonn die USA alleine dastehen und sich durch ihren Austritt aus dem Paris Agreement isoliert haben. Im Umkehrschluss erwarten wir den erneuten Schulterschluss aller anderen teilnehmenden Staaten, den Klimaschutz nun umso ambitionierter anzugehen. Dazu wäre es gut, wenn vereinbart wird, dass nächstes Jahr bei der Klimakonferenz in Polen die Staaten ihre selbstgesteckten Klimaschutzziele einem Realitätscheck unterziehen und verschärfen. Denn bisher reichen die Klimaschutzambitionen nicht aus um tatsächlich die Erderwärmung auf die vereinbarten deutlich unter zwei Grad Celsius zu begrenzen.

 


Glossar:

Clean Development Mechanism: Industriestaaten, die sich im Rahmen des Kyoto Protokolls (siehe unten) verpflichtet haben, ihre Emissionen zu senken, führen ein Klimaschutzprojekt in einem Entwicklungsland durch und erhalten dafür Emissionszertifikate (siehe unten). Die Projekte müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllen.

COP23: Die UN-Kimakonferenz in Bonn 2017 (kurz auch COP23 für United Nations Framework Convention on Climate Change, 23nd Conference of the Parties) ist gleichzeitig das 13. Treffen zum Kyoto-Protokoll (siehe unten). Sie findet vom 6. Bis 17. November 2017 auf dem UN-Campus in Bonn statt. Teilnehmer sind die Mitgliedsstaaten des UNFCCC (kurz für United Nations Framework Convention on Climate Change, also das Rahmenübereinkomme der Vereinten Nationen über Klimaänderungen). Mehr unter www.cop23.de

Emissionszertifikate bzw. -rechte: Die Emissionszertifikate sind ein Instrument, um energieintensive Unternehmen zu einem klimafreundlicheren Handeln zu bewegen. Jedes betroffene Unternehmen erhält eine bestimmte Menge dieser Zertifikate, wobei ein Zertifikat jeweils zur Ausstoß einer Tonne Kohlendioxid berechtigt. Wer mehr ausstößt, muss Zertifikate anderer Unternehmen kaufen, die weniger verbraucht haben.

Evapotranspiration: Die Summe der Verdunstungen aus Tier- und Pflanzenwelt sowie von Boden- und Wasseroberflächen.

Internationaler Emissionshandel: Der internationale Emissionshandel funktioniert ähnlich wie der Handel mit Emissionshandel zwischen Unternehmen, nur dass er zwischen Industrieländern stattfindet. Jedes Land bekommt eine bestimmte Menge an Emissionsrechten bzw. Emissionszertifikaten zugeteilt. Werden diese nicht ausgeschöpft, können sie an andere Länder meistbietend verkauft werden.

Joint Implementation: Zwei Länder, die sich beide im Rahmen des Kyoto-Protokolls (siehe unten) verpflichtet haben, ihre Emissionen zu senken, starten ein gemeinsames Klimaschutzprojekt.

Kohlenstoffsenke: Ein Reservoir, das Kohlenstoff aufnimmt und speichert, zum Beispiel Wälder und Moore.

Kyoto-Protokoll: Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen das nach dem Ort der Klima-Konferenz (Kyōto in Japan) im Jahr 1997 benannt wurde und ein Zusatzprotokoll mit dem Ziel des Klimaschutzes beinhaltet.

Kyoto-Mechanismen: Es gibt drei Mechanismen im Kyoto-Protokoll, die dafür sorgen sollen, dass die Staaten, die sich Klimazielen verpflichtet haben, diese auch erreichen. Diese sind der Internationale Emissionshandel, Joint Implementation und Clean Development Mechanism.

REDD+-Safeguards: REDD+ steht für „Reducing Emissions from Deforestation and Forest Degradation and the sustainable management of forests and enhancement of forest carbon stocks in developing countries“ und heißt auf Deutsch etwa „Verringerung von Emissionen aus Entwaldung und Waldschädigung sowie die Rolle des Waldschutzes, der nachhaltigen Waldbewirtschaftung und des Ausbaus des Kohlenstoffspeichers Wald in Entwicklungsländern“. Es ist ein Konzept der Vereinten Nationen, das Waldschutz attraktiv machen soll, indem dem in den Wäldern gespeicherten Kohlenstoff ein finanzieller Wert zugewiesen wird. Die sogenannten REDD+-Safeguards sind Absicherungsmaßnahmen, die sicherstellen sollen, dass Waldschutzprojekte auch langfristig nachhaltig sind und negative ökologische und soziale Auswirkungen verhindern..

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