Inzwischen ist die Mehrheit der Deutschen für die Einführung einer CO2-Steuer. Aber ob sie wirklich sinnvoll für den Klimaschutz ist oder doch nur eine weitere Steuer, die vor allem Verbraucher zu zahlen haben, um den Staatshaushalt zu füttern, ist keineswegs sicher. Die Klimasteuer könnte am sozialen Klima scheitern.
Ein Kommentar von Harry Assenmacher, ForestFinance Gründer und Geschäftsführer
Steuern auf CO2-Emissionen sind vor allem Energiesteuern. Und hier fängt das Problem mit der CO2-Steuer schon an: In Deutschland werden nämlich unterschiedliche Energieträger sehr unterschiedlich besteuert. Auf Benzin und Strom werden zum Beispiel hohe Steuern erhoben – auf das extrem klimaschädliche Kerosin hingegen gar nicht.
Das Umweltbundesamt errechnete einen Preis von 130 Euro pro Tonne CO2-Äquivalent. Eine CO2-Steuer von 130 Euro pro Tonne – das fordert auch die „Fridays for Future“-Bewegung. Der ohnehin gefühlt schon teure Sprit für des deutschen liebstes Kind würde also nochmal teurer und die Kosten für Fernflugreisen würden sich vermutlich verdoppeln.
Das damit de facto Fernreisen für einen größeren Teil der Bevölkerung zu einem nicht erschwinglichen Luxus würden, wird von „Postwachstumspropheten“ vermutlich (zu Recht) als hinnehmbar und eben notwendig eingeordnet werden. Auch wenn deutsche Boulevard-Blätter wahrscheinlich titeln würden: „Bali und Neuseeland nur noch für Reiche“.
Knapp zwei Drittel (62 Prozent) der Bundesbürger sind für eine Steuerreform, die sich an CO2-Emissionen orientiert.
Selbst 46 Prozent der AfD-Wähler sprechen sich für eine solche Lösung aus. Sollte die CO2-Steuer rückerstattet werden sind selbst in Ostdeutschland nur 27 Prozent der Befragten gegen eine solche Steuer.
Quelle: Repräsentative Umfrage Infratest Dimap im Auftrag von German Watch
Den Pendler im Normallohnbereich, der seinen Weg zur Arbeit – auch wegen zusammengestrichenem Schienenverkehr – mit dem Auto bewältigen muss, trifft der Verlust der möglichen Bali-Reise vermutlich wenig. Aber auch nur 100 Euro pro Monat mehr für Benzin kommen bei einem Einkommen von 2.000 Euro Netto im Monat einer ordentlichen Lohnkürzung gleich.
Sozial „gemein“ ist dabei besonders: Fernflüge werden vermutlich von einer deutschen CO2-Steuer gar nicht betroffen sein, da internationale Abkommen eine Besteuerung verhindern. Allenfalls Inlandsflüge könnten besteuert werden. Bali und damit Umweltverschmutzung bleiben also billig.
Diese Veränderung durch eine CO2-Steuer würden zumindest an der Oberfläche sichtbar. Die Kosten für (CO2-emittierende) Energieträger anderer Art fließen in fast alle Produkte ein und werden von den Produzenten an den Endverbraucher weitergegeben. Die CO2-Steuer wirkt auf Verbraucher also in etwa wie eine Mehrwertsteuererhöhung: Die Lebenshaltungskosten steigen.
Nun tragen schon heute Gutverdiener und „Reiche“ erheblich mehr zur Klimaveränderung bei als „Arme“ und Normalverdiener. Wer’s hat, leistet sich die Welt – von Fernreisen über Kurzurlaube in New York bis hin zu größeren Autos (natürlich inklusive E-mobil-Zweitwagen), größeren Häusern und höherem Konsum generell. Steuerungseffekte, die durch die CO2-Steuer eben erreicht werden sollen, werden gerade in dieser Gruppe der „Extremklimaschädlinge“ schlichtweg verpuffen. Während der berühmte Otto-Normalverbraucher mal wieder zur eh schon knappen Kasse gebeten wird und zudem kaum eine Chance hat, der CO2-Steuer aus dem Wege zu gehen. Wer froh ist die Reparatur für seinen sechs Jahre alten Diesel bezahlen zu können, kann sich auch mit einer „Umweltprämie“ kein 40.000 Euro E-Mobil leisten. Oder auch nur energiesparsame moderne Haushaltsgeräte – wo es die alte Waschmaschine doch noch tut!
Das Problem ist den Politikern in Berlin natürlich bekannt. Der erste „pragmatische“ Ansatz, der jetzt verfolgt wird, ist: Dann wird der Preis für CO2 auf – sagen wir – 20 Euro pro Tonne gesenkt. Irgendwann wird er dann mal auf 30 Euro pro Tonne erhöht. Mit einem solchen Ansatz erreicht man schließlich eine Kombination der beiden negativen Effekte einer CO2-Steuer: Es bleibt sozial ungerecht (wenn auch etwas weniger) und hat ebenfalls keinen Steuerungseffekt. Sprich: alle konsumieren weiter wie bisher und emittieren weiter Klimagase wie bisher.
Dabei geht es auch anders: Die CO2-Steuer könnte erstattet werden – ganz oder teilweise oder mindestens an diejenigen, die wenig CO2 emittieren. Oder sie wird tatsächlich für Klimaschutz verwendet. Die Deutschen haben mit letzterem nicht die besten Erfahrungen gemacht. Viele haben nicht nur den Eindruck, dass die bereits vor Jahren eingeführte „Ökosteuer“ vor allem zum Stopfen von Haushaltslöchern verwendet wurde. Auch eine geplante sogenannte aufwandsneutrale Ausgestaltung der neuen Klimasteuer ist nicht simpel. Oft wird hier vereinfacht das Beispiel Schweiz herangezogen, wo die seit Jahren eingeführte CO2-Abgabe zum Teil über die Krankenversicherungsbeiträge rückerstattet und in Teilen zweckgebunden für energetische Gebäudesanierung verwendet wird. Die Anhänger der Schweizer Lösung vergessen, dass es in Deutschland allerdings keine einheitliche (Bürger-)Krankenversicherung gibt. Wie also an alle rückerstatten oder verrechnen? Und: In der Schweiz liegen die Bruttolöhne erheblich über dem deutschen Niveau – da kann man sich eine CO2-Steuer mit von 85 Euro pro Tonne schon leisten. Vor allem aber, wenn besonders CO2-intensive Industrien, wie etwa Öl und Benzin, ausgenommen sind.
Eine CO2-Steuer muss also, wenn sie denn klimaschützend wirken soll einen „wirklichen“, sprich hohen Preis haben. Dieser Preis aber muss sozial eingebettet werden, soll das Projekt nicht Gefahr laufen, gerade den Teil der Bevölkerung, der ohnehin materiell schon schlecht dasteht, besonders zu belasten. Klimaschutz via Steuern ist also sehr eng mit der sozialen Frage verbunden und kann – siehe Frankreich – durchaus jede Menge Menschen auf die Straße und in die Arme der berühmten „Populisten“ treiben. Ob die Diskussion zu einem wirklichen Fortschritt im Klimaschutz führt, darf bezweifelt werden. Wahrscheinlicher ist es, angesichts des aktuellen Zustands der GroKo in Berlin und nur etwas mehr als ein Jahr vor den Bundestagswahlen, dass es sich mal wieder um eine politische Greenwashing-Aktion handelt.
(Demnächst im Blog: Ablass oder Lass es. – Warum Emissionshandel dem Klima nützt. Oder auch nicht.)
Zum Weiterlesen:
betreut seit 2008 das Kundenmagazin ForestFinest und sämtliche Printprodukte als Redakteurin und Autorin. Sie schreibt am liebsten über nachhaltig Gutes, das sich für Mensch und Umwelt rechnet.
Oh Herr, schick Hirn vom Himmel und untersagt dem Volk alle Wahlkampf-Lügen samt Scheingefechten. Neben CO2-Sünden wie Vernichtung der Tropenwälder und Windkraftanlagen dürften bei Otto Normalverbraucher zwei Maßnahmen am schnellsten wirken und verbrauchstgerecht sein: Schmerzliche Erhöhung der Steuer auf Kraftstoffe für Flug- und Kraftfahrzeuge.
Sehr geehrter HerrAssenbacher,
Ihren Artikel habe ich mit großer Zustimmung gelesen. Eine soziale Abfederung einer Preiserhöhung für Energie und Mobilität ist von großer Bedeutung. Vielleicht könnte man das ganze aber auch einfacher haben: Man muss das, was schädlich ist nicht immer durch Preiserhöhungen verteuern und damit soziale Unausgewogenheiten schaffen. Man könnte auch klimaschonende Mobiltät etwa durch Preissenkungen fördern: Senken wir doch die Preise für den Bahn- und Nahverkehr. Dadurch erhöht sich der relative Preis klimaschädlicher Fortbewegung auch und gerade sozial Schwache könnten umsteigen. Allerdings muss dazu der öffentliche Nahverkehr ausgebaut werden, worüber Politiker gerne reden aber selten investieren.