Wälder mit hoher Artenvielfalt sind produktiver: 5 Fragen an Forstwissenschaftler Florian Schnabel

Wälder mit einer hohen Artenvielfalt sind produktiver und stabiler gegenüber Stress als solche, die gleichförmig zusammengesetzt sind: Diesen Befund haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Freiburg und des Deutschen Zentrums für Integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) anhand von Daten aus dem weltweit ältesten Freilandexperiment zur Diversität tropischer Baumarten in Panama bestätigt. Das Team um den Doktoranden Florian Schnabel hat seine Ergebnisse im Fachjournal „Global Change Biology“ veröffentlicht. Wir haben Florian Schnabel gefragt, warum Mischwälder sich lohnen und wie Förster sich auf den Klimawandel vorbereiten sollten.

Wobei handelt es sich bei dem 2001 in Panama gestarteten Sardinilla-Experiment und warum wurde es ins Leben gerufen?

Das Sardinilla-Experiment in Panama ist das älteste tropische Experiment des Forschungsverbundes Tree Diversity Network (TreeDivNet). Es wurde angelegt um den Einfluss von Baumartendiversität auf Ökosystemfunktionen, zum Beispiel Kohlenstoffspeicherung, in tropischen Wäldern zu untersuchen. Es umfasst 22 Felder, die mit einer, zwei, drei oder fünf einheimischen Baumarten bepflanzt sind. Das Besondere ist, dass durch den direkten Vergleich von Misch- und Reinbeständen im gleichen Experiment der Einfluss des Artenreichtums von anderen Faktoren wie Bodenbeschaffenheit oder Klima getrennt werden kann.

Florian Schnabel arbeitet im Projekt TreeDì des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) in Leipzig und an der Professur für Waldbau der Universität Freiburg. Sein Forschungsschwerpunkt ist der Vergleich von Ökosystemfunktionen in Mischwäldern und Monokulturen. Foto: privat

Laut Ihrer Studie weisen Mischwälder eine höhere Produktivität auf als Monokulturen oder Forste mit geringerer Diversität und sind zugleich widerstandsfähiger. Worauf führen Sie das zurück?

Unsere Studie zeigt, dass Mischbestände mit zwei und drei Baumarten eine um durchschnittlich 25 bis 30 Prozent höhere Produktivität (gemessen am Holzwachstum) aufweisen als Monokulturen. Bei denjenigen mit fünf Arten sind es sogar durchschnittlich 50 Prozent. Der zentrale Grund hierfür ist, dass die Arten in den Mischbeständen komplementäre, sich ergänzende Eigenschaften besitzen.

Die Arten wurden so ausgewählt, dass sie unterschiedlich schnell wachsen. Die untersuchten Mischbestände bestehen aus schattentoleranten und lichtbedürftigen Arten, die zusammen mehr Licht aufnehmen und damit schneller wachsen als die jeweilige Monokultur, die nur eine Strategie der Lichtnutzung verfolgen kann. Das Gleiche gilt für die Wurzelstrategien: Die untersuchten Arten nehmen nachweislich Wasser aus verschiedenen Bodenschichten auf, verringern so die Konkurrenz und schöpfen gleichzeitig den insgesamt verfügbaren Vorrat an Wasser besser aus. Wir nehmen an, dass dieser Prozess einer der Hauptgründe für die höhere Trockentoleranz der untersuchten Mischbestände ist.

Sehr wichtig ist somit, dass es nicht nur darauf ankommt, mehrere Arten zusammenzupflanzen, sondern diese Arten so auszuwählen, dass sie sich in ihren Eigenschaften gut ergänzen. Hierfür brauchen wir dringend weitere Forschung, vor allem in den Tropen mit ihrer Vielzahl von Arten und vergleichsweise sehr wenigen Studien.

Eine Mischung aus Baumarten mit komplementären Eigenschaften erwies sich in der Studie als besonders vorteilhaft. Foto: Florian Schnabel

Woran liegt es Ihrer Meinung nach, dass trotz der wirtschaftlichen und ökologischen Vorteile nach wie vor oft auf Monokulturen gesetzt wird?

Mischbestände stellen verschiedenste Ökosystemfunktionen gleichzeitig zur Verfügung, während Reinbestände eine einzelne Funktion auf Kosten von anderen Funktionen maximieren. Ökologisch sind Mischbestände Reinbeständen somit überlegen. Wirtschaftliche Aussagen über Vorteile sind, vor allem in den Tropen, nicht so einfach. Gerade gibt es nur für einige wenige (exotische) Arten, zum Beispiel Teak, sehr gutes Wissen zu deren Anbau und zu der Vermarktung ihres Holzes. Dies befördert Monokulturen. Wir brauchen also dringend mehr Engagement und Forschung in einheimische tropische Arten entlang der gesamten Produktionskette. Dieses Wissen ist essentiell um passende Artkombinationen für Mischbeständen zu finden.

Ein weiterer zentraler Aspekt ist, dass eine höhere Diversität auch mit einer höheren Komplexität der Bewirtschaftung einhergeht. Traditionell haben wir ein Produktionsmodell in der Forstwirtschaft, das auf Vereinfachung und größtmögliche Homogenität setzt. Dies ändert sich gerade zumindest teilweise, da angesichts des Klimawandels und der damit verbundenen Unsicherheiten eine Streuung des wirtschaftlichen, aber auch ökologischen Risikos, wie wir sie durch Mischbestände erreichen können, immer wichtiger wird.

„Eine Baumart, die wir heute pflanzen und die gut wächst, kann zum Beispiel im Jahr 2030 bereits durch Trockenheit, eine Krankheit oder beides ausfallen.“

Wie lassen sich Ihre Forschungsergebnisse auf Wälder in Deutschland übertragen?

Generell gibt es für die von uns beschriebenen Zusammenhänge (Diversität erhöht die Produktivität und Stabilität) immer mehr Belege aus verschiedenen Waldökosystemen, auch aus Studien in Mitteleuropa und Deutschland. So bestätigen die meisten Studien in Europa eine im Mittel höhere Produktivität, wenn Arten in Mischbeständen und nicht Monokulturen wachsen. Auch bezüglich einer erhöhten Stabilität von Mischbeständen gibt es eine wachsende Zahl von Studien aus Europa, die den von uns dargestellten Zusammenhang bestätigen. Diese bisherigen Studien benutzen allerdings entweder Daten aus Wäldern, in denen der Einfluss des Artenreichtums nicht explizit von anderen Faktoren getrennt werden kann, oder aus jungen, gepflanzten Experimenten, die keine Aussagen über längere Zeiträume zulassen. Unsere Studie belegt diese Zusammenhänge nun zum ersten Mal unter den kontrollierten Bedingungen des ältesten tropischen Experimentes seiner Art und bestätigt damit die Trends, die wir auch in deutschen und europäischen Studien sehen.

Florian Schnabel mit seinem Team in Panama. Foto: privat

Welche forstwirtschaftlichen Maßnahmen würden Sie vor dem Hintergrund Ihrer Studie empfehlen, um dem Klimawandel zu begegnen, und warum?

Wir konnten in unserer Studie zeigen, dass das Wachstum von Mischbeständen stabiler und widerstandsfähiger gegenüber Trockenstress ist als das von Monokulturen. Wir wissen, dass Extremereignisse, wie zum Beispiel das tropische Klimaphänomen El Niño (welches die Trockenperiode in unserem Experiment ausgelöst hat), mit fortschreitendem Klimawandel immer häufiger werden. Außerdem ist der Klimawandel eine zentrale, aber nicht die einzige globale Veränderung im 21. Jahrhundert mit Einfluss auf die Forstwirtschaft. Zu nennen wäre hier zum Beispiel die Ausbreitung von neuen Pilzkrankheiten.

Gemeinsam ist allen diesen Veränderungen, dass die Folgen schwer vorherzusagen sind. Eine Baumart, die wir heute pflanzen und die gut wächst, kann zum Beispiel im Jahr 2030 bereits durch Trockenheit, eine Krankheit oder beides ausfallen. Die Forstwirtschaft muss deshalb mit einem bisher unbekannten Grad an Unsicherheit planen und arbeiten. Stabilität könnte daher im 21. Jahrhundert Produktivität als wichtigsten Faktor der Bewirtschaftung ablösen. Eine Streuung des Risikos auf verschiedene Arten mit unterschiedlichen Eigenschaften, wie wir sie durch Mischbestände erreichen, ist hierfür die beste forstwirtschaftliche Maßnahme.

Originalpublikation:
Schnabel, F./Schwarz, J./Dănescu, A./Fichtner, A./Nock, C./Bauhus, J./ Potvin, C. (2019): Drivers of productivity and its temporal stability in a tropical tree diversity experiment.
In: Global Change Biology. doi: 10.1111/gcb.14792

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