Warum gehen Dinge kaputt? Warum wächst ein Baum in unerwartete Richtungen oder verleibt sich Schilder ein? Mit diesen Fragen beschäftigt sich der Physiker und Biomechanik-Experte Prof. Claus Mattheck und hat mit dem Karlsruher Institut für Technologie mehrere Bücher herausgegeben, die sehr anschaulich beschreiben, was in Bäumen und Bauteilen vor sich geht. Das macht ihn gleichzeitig zum Baumretter, denn die von ihm entwickelte Analysemethode zur Beurteilung der Standfestigkeit von Bäumen kann sie vor der Säge bewahren. Im Interview erzählt er von der Faszination von Brüchen und den besonderen Kräften der Bäume.
Wie kam es zu Ihrer Faszination für Dinge, die zu Bruch gehen?
Ich habe im Fach Bruchmechanik und Schadenskunde habilitiert. Darüber hinaus ist jeder Schadensfall eine Detektivaufgabe und wem macht es nicht Spaß, Sherlock Holmes zu spielen. Hinzu kommt die ethische Komponente: Schäden zu vermeiden heißt auch, das Unglück abzuwenden!
Wen haben Sie beim Schreiben Ihrer Bücher als Zielgruppe vor Augen?
Alle, die guten Willens sind und ihre Umgebung verstehen wollen, unabhängig von ihrer Vorbildung. Es gibt auch viele kluge Leute ohne Doktortitel und umgekehrt!
In Ihrem Werk „Die Körpersprache der Bäume“ haben Sie sich ausführlich mit der Struktur von Bäumen beschäftigt. Woher stammt Ihr Interesse daran?
Ich war schon als Kind gerne alleine im Wald und Bäume sind auch Trost, stumm-beredsame Freunde. Es war nach langer Vorgeschichte letztlich eine verrückt gewachsene Strandkiefer am Atlantik, ein Meister der Selbstreparatur, der mich auch wissenschaftlich einnordete, der mir die Frage stellte, wie sich Bäume selbst optimieren.
Aus Schaden wird man klug: Bäume als Vorbild
Wie gehen Bäume mit Brüchen und Belastungen um?
Bäume lieben eine gerechte Spannungsverteilung ohne lokal hohe Belastungen, die Bruchstellen von morgen sind. Haben sie durch äußere Verletzung oder innere Defekte (Fäule, Risse) dennoch lokal hohe Spannungen, reparieren sie diese durch Anbau verdickter Jahresringe. Unsere weltweit verbreitete Baumkontrollmethode VTA (Visual Tree Assessment) interpretiert diese Anbauten für die Baumkontrolle.
Was können wir von Bäumen lernen? Wie lassen sich ihre besonderen Fähigkeiten auf Gegenstände übertragen und nutzbar machen?
Die Selbstoptimierung der Bäume haben wir auf technische Bauteile übertragen, was bereits Inhalt technischer Regelwerke ist ( DIN ISO 18459).
So gestaltete Bauteile sind leichter und leben länger – Lehrmeister Baum hilft mit seiner Universalform auch kleinen und mittelständigen Firmen. Die Universalform der Zugdreiecke findet sich überall in der Natur, bei belebten und toten Strukturen, auch in Gebirgen und in Fluiden, berandet sogar den Bachkiesel und unsere Augen …
Vielen Dank für diesen Beitrag zum Thema Bäume. Gut zu wissen, dass diese sich sehr gut selbst helfen können. Ich denke, dass ich dennoch mal einen Baumsachverständiger kontaktieren werde.
Die Bäume sind eben etwas Besonderes und das müssen wir einsehen, wenn wir immer noch frische und gesunde Luft wollen.