Auf der Walz: zwei Tischlergesellen zu Besuch bei ForestFinance in Panama

Mit nicht mehr als fünf Euro in der Tasche losgehen, das Zuhause für mehr als ein Jahr verlassen und jeden Abend aufs Neue eine Bleibe suchen, die nichts kosten darf – für viele ein Alptraum, für andere ein Abenteuer, für Bernhard aus Berlin und Manou aus Luxemburg Realität: Die beiden sind als Tischlergesellen auf der Walz und auf diese Weise bis nach Panama gekommen, wo sie zurzeit im ForestFinance-Holzverarbeitungszentrum in Las Lajas mithelfen. Spannend, finden wir und haben Bernhard und Manou zu der jahrhundertealten Tradition und ihren Reiseerfahrungen befragt.

Die beiden Tischlergesellen Manou und Bernhard mit Carolina Buglione, der neuen Leiterin unseres Schokoladencafés in Panama. Foto: ForestFinance
Die beiden Tischlergesellen Manou (links im Bild) und Bernhard mit Carolina Buglione, der neuen Leiterin unseres Schokoladencafés in Panama. Foto: ForestFinance

 

Was hat euch dazu bewogen, auf die Walz zu gehen?

Uns ging es da wahrscheinlich wie den meisten reisenden Handwerker*innen: Lust, zu reisen, die Welt zu entdecken und mehr über unser Handwerk zu lernen.

Wie habt ihr euch kennengelernt?

Wir haben uns unterwegs getroffen. Manou ist schon länger unterwegs und war dabei, als ich losgegangen bin.

Und wie hat es euch gerade nach Panama und schließlich zum ForestFinance-Holzverarbeitungszentrum verschlagen?

Wir waren beide bereits schon vor der Walz einmal in Lateinamerika und hatten Lust, es besser kennenzulernen. Wir sind in Ecuador gestartet und planen, bis Mexiko zu reisen. Da liegt Panama natürlich auf der Strecke. Um unsere Reise zu dokumentieren besuchen wir in Deutschland immer die Ratshäuser und lassen uns ein Siegel in unser Wanderbuch geben. Hier sind wir dafür in Panama City zur Deutschen Botschaft gegangen. Dort erzählte uns dann ein Mitarbeiter, dass Petra (Anm. d. Red.: Kollmansberger, Geschäftführerin ForestFinance Panama) seit Langem versucht, Kontakt mit Wandergesellen*innen aufzunehmen und stellte kurzerhand den Kontakt her.

 „Sehr unkompliziert und freundschaftlich“

Wie hat es euch bei ForestFinance gefallen?

Bisher sehr, sehr gut. Es lief alles sehr unkompliziert und freundschaftlich. Wir kannten ForestFinance beide vorher nicht, finden es aber gut, wenn ökologisch aufgeforstet wird und schöne Dinge aus diesem Holz produziert werden. Klar, wir wissen ja beide, dass Holz der beste Werkstoff ist und dass die ökologische Frage nur gemeinsam mit der sozialen beantwortet werden kann. Außerdem finden wir es super, dass die Werkstatt hier so gut ausgestattet und sicher ist – definitiv nicht überall so in Lateinamerika.

Manou und Bernhard arbeiten in Panama an der Erstehung des ForestFinance-Musterhauses mit, über das wir bald berichten werden. Foto: ForestFinance
Manou und Bernhard arbeiten in Panama an der Erstehung des ForestFinance-Musterhauses mit, über das wir bald berichten werden. Foto: ForestFinance

Wo seid ihr sonst bereits gewesen?

Wie gesagt begann unser Weg in Lateinamerika in Ecuador. Einmal Kolumbien bis zur Karibikküste hoch und dann nach Panama. In Europa waren wir (nicht immer zusammen) bereits in Frankreich, Dänemark, Schweden, Österreich, der Schweiz, Tschechien und viel in Deutschland, kreuz und quer.

Wandergesellen sind selten geworden. Wie begegnen euch die Leute unterwegs? Gibt es Unterschiede zwischen den Reaktionen in Luxemburg oder Deutschland und in Lateinamerika?

Tatsächlich hält sich die Zahl bei circa 500. Klar gehen immer welche los und nachhause und sind dann natürlich in der ganzen Welt verstreut; so gesehen gibt es sehr wenige. Im deutschsprachigen Raum ist die mehr als 800 Jahre alte Tradition jedoch noch sehr bekannt und die Menschen können etwas damit anfangen. In anderen Ländern wie Dänemark oder Frankreich gab und gibt es ähnliche Traditionen von reisenden Handwerker*innen. Und da, wo es die Leute nicht kennen, erklären wir halt, was wir machen und das kommt meistens sehr gut an. Hier in Lateinamerika werden wir oft für Musiker oder Straßenkünstler gehalten – das können wir dann jedoch schnell auflösen. Hauptsache, wir kommen in Kontakt mit Menschen – darum geht es ja auch.

Reisen kostet Geld. Wie schafft ihr das ohne festes Einkommen?

Immer wieder arbeiten, sparsam sein und Zeit einplanen.

Die beiden Tischlergesellen Manou und Bernhard, ganz vorne mit Olga Gallego in der Mitte, vor dem ForestFinance-Holzverarbeitungsteam. Foto: ForestFinance
Die beiden Tischlergesellen Manou (vorne rechts) und Bernhard (vorne links), mit Olga Gallego in der Mitte, vor dem ForestFinance-Holzverarbeitungsteam. Foto: ForestFinance

Mit fünf Euro los, mit fünf Euro nachhause

Gibt es besondere Regeln, denen ihr folgen müsst?

Es gibt gewisse Richtlinien während der Walz. Zum Beispiel verlassen wir unser Zuhause für mindestens zwei Jahre und einen Tag, viele sogar für mindestens drei Jahre und einen Tag. In dieser Zeit kommen wir unserem Zuhause nicht näher als 50 Kilometer – das hat historische Gründe. Des Weiteren geben wir weder Geld für die Unterkunft aus noch für die Fortbewegung, um mit Menschen in Kontakt zu kommen und auch darauf angewiesen zu sein, zu fragen und Hilfe zu erhalten. Um Wandergesell*in zu werden, musst du natürlich erst einmal Gesell*in sein. Sprich, eine Ausbildung in einem Handwerk, wie zum Beispiel Steinmetzkunst, Maurerei, Schmiedekunst, Zimmerei, Tischlerei etc. abgeschlossen haben. Dann benötigst du eine/n Wandergesell*in, der/die dich von Zuhause abholt und der/die dich in die Tradition einführt  (denn große Teile davon werden nur mündlich und intern weitergegeben) und dir zeigt, wie du dich auf der Straße zurechtfinden kannst. Du darfst keine Kinder haben und keine Schulden oder anderweitig vor Verantwortung weglaufen. Und dann gehen wir nur mit fünf Euro los und kehren mit fünf Euro heim – denn bei der ganzen Geschichte geht es um Erfahrung und Spaß und nicht darum, billig über die Runden zu kommen und Geld zu sparen.

Ist die Kluft bei tropischen Temperaturen nicht ganz schön warm?

Sehr. Aber wir haben vorgesorgt und uns mit einer dünneren Version ausgestattet und dann sind wir es auch gewohnt, dass es im Sommer zu warm ist und im Winter zu kalt. Da gibt es tatsächlich praktischere Kleidung.

 

 

Ohne Handy unterwegs zu sein und nicht zu wissen, wo man als nächstes schlafen wird, würde vielen Menschen Stress bereiten. Was waren für euch die größten Schwierigkeiten unterwegs?

Vieles ist dadurch entspannter, dass wir keinen Zeitdruck haben. Wir müssen in der Regel nicht dann und dann da und da sein, dadurch ist es an sich schon entspannter. Tja und dann lernst du mit der Zeit recht schnell einfach zu fragen und dich auch auf ein bisschen Improvisieren einzulassen und deine Ansprüche runterzufahren. Die größte Schwierigkeit hier vor Ort ist natürlich die Sprachbarriere, auch wenn wir beide halbwegs Castellano sprechen, verstehen wir nicht immer alles und können auch nicht immer genau das ausdrücken, was wir denken. Und ansonsten ist es ja eher eine Zeit, in der wir viel Muße haben nachzudenken und die Eindrücke zu verarbeiten und zu genießen.

Und was war das Schönste, das ihr erlebt habt?

Große Frage. Ich freue mich immer riesig, wenn ich zum Beispiel eine Mitfahrgelegenheit finde oder, noch besser, einen Schlafplatz. Wenn ich dann noch auf ´nen Kaffee eingeladen werde und einfach ein wenig mit den Leuten plaudern kann und merke, dass sie ernsthaft interessiert sind, freut mich das sehr. Und ganz ohne Frage ist es natürlich auch megaschön, sich mal mit Freunden oder Familie in einer anderen Stadt zu treffen.

Was habt ihr nach der Walz vor?

Ich bin zurzeit am Überlegen, ob ich meinen Meister mache. Allerdings öffnen sich oft unerwartete Türchen und da ich noch so zwei Jahre unterwegs sein werde, plane ich noch nicht zu viel voraus. Manou ist bereits mit ein paar anderen Zimmerleuten in der Planung, einen genossenschaftlichen Zimmereibetrieb aufzubauen. Auch wenn er noch circa ein Jahr zünftig am Reisen sein wird.

3 Kommentare zu “Auf der Walz: zwei Tischlergesellen zu Besuch bei ForestFinance in Panama

  1. Handgefertigte Möbel sind einfach ein Hingucker. Ich finde das Tischlerhandwerk selbst interessant. Mein Opa war Schreiner und hätte fast eine Tischler Ausbildung gemacht.

  2. Vielen Dank für den tollen Artikel. Die Walz ist wirklich eine wunderbare Tradition die heute leider oft in Vergessenheit gerät. Mir selbst war in meinem Leben nicht die Möglichkeit für Walz und/oder Reisen gegeben. Umso mehr beneide ich Euch um die gesammelten Erfahrungen.

    Liebe Grüße

  3. Hallo Kristin,
    danke für den tollen Artikel über die beiden Wandersleut‘. Ich habe schon einige Male Gesellen auf der Walz gesehen, aber noch nie mit ihnen gesprochen. Deswegen finde ich es umso interessanter was Bernhard und Manou über ihren Weg von der Heimat zum Tischler zu erzählen haben.

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