Ob das „Seelenleben der Tiere“ oder die „Weisheit der Wölfe“: Bücher über das Leben und Denken von Tieren tummeln sich seit einiger Zeit beständig in den Bestsellerlisten. Wir empfehlen Ihnen drei besondere, die ein etwas anderes Licht auf die Tierwelt werfen – und dabei auch den Menschen neu beleuchten.
Wenn der Mensch zum Tier wird …
… ist das nicht nur metaphorisch ein ambitioniertes Vorhaben. In dem ungewöhnlichen Buch „Der Geschmack von Laub und Erde“ versucht ein englischer Tierarzt das Menschsein hinter sich zu lassen, um in einem Erdwall zu hausen wie ein Dachs und in Mülltonnen zu wühlen wie ein Großstadtfuchs.
Tierarzt und Ethiker Foster beginnt sein Abenteuer mit dem Satz: „Ich wollte wissen, wie es ist, ein Wildtier zu sein“. Es macht einen Heidenspaß, ihm bei diesem skurrilen Unterfangen zu folgen. Auf seiner Reise lebt und denkt sich Foster in verschiedene Lebewesen hinein: Einen Dachs, einen Otter, einen Hirsch und einen Mauersegler. Das gelingt ihm mal mehr mal weniger gut – je nach Sympathie und neurologischer Ausstattung. Grundlage seiner experimentellen Forschung ist nämlich immer eine „gemeinsame Sprache“: neurologische Gemeinsamkeiten, „summende Neuronen“ und Sinneseindrücke, die Mensch und Tier teilen. Solche Eindrücke haben zwar gänzlich verschiedene Bedeutungen für uns, den Dachs und den Mauersegler, trotzdem riechen wir dasselbe Bingelkraut, hören denselben Fasan. Dass wir bestimmte Eindrücke mit anderen – Tieren oder Menschen – teilen, das ist ein Glaube, an dem Foster festhält.
Foster lebt also in einem Erdwall wie ein Dachs, begegnet einer Füchsin im Londoner East End, schwimmt nachts in kalten Stromschnellen, wird vom ehemaligen Jäger zur flüchtenden Hirschkuh und fliegt hoffnungs- und rastlos einem Mauerseglerschwarm quer über die Kontinente hinterher. Man lernt dabei nicht nur eine ganze Menge über heimische Wildtiere (Dachse hören mit den Pfoten! Mauersegler bleiben bis zu zehn Monate in der Luft – ohne auch nur ein Mal zu landen!), sondern erfreut sich auch immer wieder an Fosters philosophischen Selbstreflexionen, auch wenn ein unbequemes Fünkchen Kulturpessimismus stets mitschwingt. Der Geschmack von Laub und Erde ist ein ganz besonderes Buch voller Poesie und tiefer Erkenntnis – nicht nur über Wildtiere, sondern vor allem auch über den Menschen:
„Ich hatte darauf gehofft, ein Buch zu schreiben, in dem nichts oder nur wenig von meiner eigenen Person aufscheint. Diese Hoffnung war naiv. Es wurde (viel zu sehr) ein Buch über meine Rückkehr zur Natur, mein Bekenntnis zu meiner vormals ungekannten Wildheit und meine Klage über den Verlust dieser Wildheit. Tut mir leid.“
Das verzeihen wir gern!
Der Geschmack von Laub und Erde
Charles Foster
Piper Verlag
ISBN: 978-3-89029-262-5
Preis: 20,00 €
Von mitfühlenden Wölfen und albernen Elefanten
Wie ähnlich sind Tiere dem Menschen? Um das herauszufinden, zieht Ökologe und Naturschriftsteller Carl Safina eines Tages los, fest entschlossen, die Tradition von vermeintlicher Objektivität um eine Dimension zu erweitern, die oft im Namen der Wissenschaftlichkeit auf der Strecke bleibt: einer Begegnung auf Augenhöhe.
Immer mehr Wissenschaftler haben in den letzten Jahren diesen Weg eingeschlagen. Wurde Schimpansenforscherin Jane Goodall zu Beginn ihrer Karriere noch dafür belächelt, dass sie den Affen, ihren Forschungsobjekten, Namen (statt Zahlen) gegeben hat, erkennen heute immer mehr Forscher, dass die Mär vom objektiven, „erhabenen“ Wissenschaftler eben genau das ist: ein Märchen.
Safina, von Haus aus Meeresbiologe, begibt sich in seinem Buch also auf die Suche nach tierischem Bewusstsein und versucht dabei stets, den Tieren eher zu begegnen, als sie bloß zu beobachten. Auf seinen Reisen um den Globus trifft er dabei auf empathische Wölfe im Yellowstone Nationalpark, lügende Hyänen und künstlerisch begabte Delfine. Doch schon zu Beginn des Buches, auf den Spuren der Elefanten und ihren engen Familienverbänden, wird ihm klar, dass eine entscheidende Kursänderung notwendig ist, um wirklich zu ergründen, was Tiere denken und fühlen. Im Gespräch mit der Elefantenforscherin Cynthia Moss erkennt er:
„Ich war davon ausgegangen, dass meine Aufgabe darin bestand, den Tieren die Möglichkeit zu geben, zu zeigen, wie sehr sie uns Menschen ähneln. Nun war die Angelegenheit schwieriger und komplexer geworden: Ich musste erforschen, wer sie sind – wie wir oder auch nicht.“
Dass der Mensch nicht im Mittelpunkt aller Forschung und allen Lebens stehen darf, das ist der Grundgedanke dieses besonderen Buchs. Unweigerlich franst Safina die Grenze zwischen Tier und Mensch immer weiter aus. Dabei misst er aber nie das Denkvermögen von Krähen oder die sozialen Bündnisse von Walen an denen der Menschen – er lässt sie Tier sein und rückt sie dadurch näher an den Menschen heran, als es die vermeintliche Objektivität so mancher Wissenschaftler je zustande brächte.
Wie wichtig dieses Unterfangen ist, für das gemeinsame Überleben, macht Safina immer wieder deutlich. Ein spannendes Buch für Tierfreunde und gegen den menschlichen Hochmut.
Die Intelligenz der Tiere
Carl Safina
C.H. Beck
ISBN: 978-3-406-70790-2
Preis: 26,95 €
Zum Weiterlesen:
Die letzten Monster dieser Welt
Eigentlich haben wir doch schon fast alles entdeckt und benannt: Die Lebewesen um uns herum sind taxonomisch sortiert und eingeordnet, gehören Arten an und leben in meist säuberlich abgesteckten Lebensräumen. Das macht die Tierwelt um uns herum auch weniger bedrohlich, Monster und Dämonen sind auf diese Weise nach und nach aus unserer Welt verschwunden.
Im Mittelalter wurden Geschichten über Monster und Tiere – damals oft ein und die selbe Kategorie – in sogenannten Bestiarien gesammelt: mittelalterliche allegorische Tierdichtungen, in denen zeitgenössische Tierkunde mit christlicher Heilslehre und so manch wilder Phantasie gebündelt waren. Wie würde ein solches Bestiarium in der heutigen Zeit aussehen, wo doch die Tierwelt scheinbar völlig entzaubert ist?
Caspar Henderson stellt in seinem Buch „Wahre Monster“ Wesen vor, die zwar real und bekannt sind, aber doch so seltsam und merkwürdig, dass sie der kühnsten Fantasie nicht hätten entspringen können: Kraken, deren Gehirne in den Tentakeln sitzen, drachengleiche Dornteufel oder der ewig jugendliche Axolotl, dem einfach Arme oder Beine nachwachsen. Statt wie seine Vorgänger über Einhörner und Dämonen zu fabulieren, hält sich der Autor stets an die Fakten. Natur, Biologie und Wissenschaft – das ist das größte Wunder überhaupt, so die Devise. Dabei wagt er sich nicht nur an jene bekannten Arten, die der Mensch an den Rand des Aussterbens gebracht hat, wie etwa Wale oder Schildkröten. Auf seiner Reise von A bis Z stehen oft diejenigen Wesen im Zentrum, die ansonsten vielfach im Stillen leben, wie etwa Zebrabärbling, Plattwurm oder Seeschmetterling.
Manchmal verliert sich Henderson ein wenig in Assoziationsketten, zwischen all den Anekdoten, Philosophien und der wissenschaftlicher Präzision. Das macht aber nichts: Die schaurig-edlen Illustrationen von Pauline Altmann holen den Leser stets wieder zurück.
Natürlich darf in einem solchen Bestiarium auch das wundersamste und vielleicht größte Monster unserer Zeit nicht fehlen. In Kapitel acht treffen wir deshalb schließlich auf uns selbst:
„Stamm: Chordatiere, Klasse: Säugetiere, Ordnung: Primaten, Familie: Menschenaffen, Gattung: Mensch, Erhaltungsstatus: nicht gefährdet“
heißt es da zur Einleitung.
Wer scheinbar Alltägliches wieder mit neuen Augen bestaunen möchte und Fan von Kuriosem und Fantastischen ist – für den ist dieses Buch ein absolutes Muss.
Wahre Monster – Ein unglaubliches Bestiarium
Caspar Henderson, Judith Schalansky (Hg.)
Illustration: Pauline Altmann
ISBN: 978-3-95757-030-7
Preis: 38,00 €
Das Rezensionsexemplar wurde uns kostenlos zur Verfügung gestellt.
ist Teil des Kommunikationsteams bei ForestFinance. Sie schreibt gerne über Nachhaltigkeitstrends, Tiere und Grünes im Netz.